DIE LUFTWAFFENREGELBAUTEN DER LUFTVERTEIDIGUNGSZONE WEST
(P. Waltje)
Allgemeines
Im Zuge des Ausbaus der Landesbefestigung West (1937-1940) entstand oestlich des eigentlichen Westwalls die Luftverteidigungszone West (LVZ- West) in einer Tiefe von bis zu 100 km (Bauzeit 1938/39). In ihr waren die Flak- Batterien der Luftwaffe eingesetzt, deren Aufgabe es war, das Reichsgebiet vor einfliegenden Feindflugzeugen zu schuetzen. Daraus ergibt sich, dass ihre Anlage resp. ihr Ausbau in den Haenden der Luftwaffe lag. Bauausführung wurde durch die Organisation Todt (OT), den Reichsarbeitsdienst (RAD)
und zivile Baufirmen sicher gestellt.
Um die Luftabwehrbatterien auch im Erdkampf zu schuetzen entstanden einerseits Bunkerbauten zum Schutz der Geschuetzbedienungen, andererseits infanteristische Bunkerstellungen aehnlich denen des Heeres, da die LVZ West zusaetzlich als zweite Heeresstellung vorgesehen war. Die taktischen Einsatzrichtlinien waren die gleichen wie die des Heeres an der Westgrenze: ein gestaffeltes System kleiner und kleinster Anlagen, in der sich ein Gegner, trotz Ausschaltens einzelner Kampfanlagen, festlaufen sollte (Stellungskampffeld).
Trotz gleicher Aufgabenstellung, entwickelte die Luftwaffe für diesen Einsatz sieben eigene Regelbauten, die sich sehr stark an
die entsprechenden Heeresregelbauten anlehnten. Sie wurden mit Buchstaben gekennzeichnet. Waehrend
die staendigen Befestigungen des Westwalls in dieser Ausbauphase
(LIMES-Bauprogramm) in den ersten Entwürfen mit den Ausbaustaerken B1 (1 m) und
C (0,60 m) entworfen wurden, wurden diese Entwürfe im Laufe des Jahres 1938,
durch direkte Einflussnahme Hitlers, auf Wand- und Deckenstaerken B (1,50 m)
verstärkt. Die Rueckwaende der Anlagen blieben bei 1,00 m wie auch die
Innenwaende bei den urspruenglichen Staerken verblieben. Die Entwuerfe der
Bunker der LVZ-West zeigen bereits diese Ausbaustaerke und wurden auch in dieser
gebaut. Einige wenige Bauwerke in der LVZ-West sind bekannt, die in der
Ausbaustärke B1v (Decken- und Aussenwaende 2,00 m und Rueckwaende 1,50 m) gebaut
wurden. Saemtliche Bauten waren gasdicht ausgelegt, die Innenausstattungen entsprachen denen der Heeresregelbauten, wobei jedoch auch Einrichtungsgegenstaende aus eigenen Beschaffungsprogrammen der Luftwaffe verwandt wurden (z.B. Drehkolbenluefter LS 3 und Ofen SO 23).Grundsaetzlich waren in diesen Anlagen Panzereinbauteile gemaess „Panzeratlas“ vorgesehen. Durch Versorgungsengpaesse wurden jedoch auch hier eigene Panzerbauteile verwandt, die in dieser Form nicht im „Panzeratlas“ zu finden sind. Die oft vertretene Auffassung, dass diese Panzerbauteile aus Bauwerken der tschechischen Landesverteidigung ausgebaut wurden, konnte bis heute nicht bestaetigt werden.
Die Anlagen
B MG- Schartenstand
F Doppelgruppenunterstand
K Gefechtsstand
M Munitionsunterstand
Pz Pak- Unterstellraum
U Doppelgruppenunterstand mit flank. Anlage
V Gruppenunterstand am Vorderhang
1. B- Stand: Maschinengewehrstand mit Schartenplatte
Groesse: 6,20 x 8,35 m
Besatzung: 6 Mann
Betonmasse: 182 m³
Dieser Stand ist die einzige Kampfanlage der Luftwaffenentwuerfe und wurde
aus dem Regelbau B 1-1 (Zeichnungsnummer 170 B9) des Pionierbauprgrammes
entwickelt. Der Kampfraum ist hier gleichzeitig Aufenthaltsraum für die
Besatzung. Als Besonderheit besitzt dieses Bauwerk ein Sehrohr mittig im
hinteren Bereich des Raumes. Als Waffe war hier ein MG 26 (t) vorgesehen. Diese Anlage kostete in der urspruenglichen Ausbaustufe B1 ca. RM 27.000.
Von diesem Bauwerk existieren mehrere Varianten. So gibt es eine Version ohne Eingangsueberdachung,
die oberirdisch gebaut und als Haus (mit Satteldach) getarnt war, eine weitere als passive Anlage ohne Schartenplatte und eine Version mit einer Treppenscharte, die mit einer schwächeren und kleineren Platte ausgestattet ist. Von dieser Version konnten bis heute
nur 3 Exemplare gefunden werden.
2. F- Stand:
Unterstand fuer eine Gruppe ("Unterstand nach dem Entwurf des Fuehrers")
Groesse: 7,60 x 10,80 m
Besatzung: 18 Mann
Betonmasse: 289 m3
Dieser, am haeufigsten in der LVZ West gebaute Stand, aehnelt dem LIMES-Regelbau 10a. In jedem der beiden gleich grossen Raeume konnten 9 Mann untergebracht werden. Er ist jedoch vom Entwicklungszeitpunkt her spaeter einzuordnen als U- Stand, da hier die Panzertueren in
den gebrochenen Eingangsfluren und nicht, wie bei den aelteren Entwürfen, mit der Aussenwand abschliessend eingebaut wurden. Die Anlagen weisen in den gebrochenen Eingangsfluren angebrachte, niedrige Tueren auf (1,10 m). Der Entwurf dieses Bauwerkes stammt von Hitler persoenlich.
3. K- Stand: Gefechtsstand fuer FLAK-Untergruppenstaebe
Groesse: 8,00 x 16,00 m
Besatzung: 24 Mann
Betonmasse: 454 m3
Die Anlage diente zur Unterbringung von z.B. Flak- Untergruppenstaeben. Sie ist an den LIMES-Regelbau 31 (Div.- Gefechtsstand) angelehnt. Fuer dieses Bauwerk existieren keine Unterlagen ueber
die Funktion der einzelnen Raeume. Im LIMES-Regelbautyp 31 dienten die beiden großen Raeume an den Schmalseiten dem Kommandeur, seinem Adjutanten und der Fernsprechvermittlung. Neben dem Kommandeursraum ist der Arbeits- und Aufenthaltsraum der Offiziere, neben der Fernsprechvermittlung lag der Raum für die Melder. Der zentral gelegene Raum diente als Geschaeftszimmer. Man darf sicherlich annehmen, daß im K-Stand die Raumbelegung entsprechend war. Wegen der Wichtigkeit dieser Anlage war sie mit zwei Notausgaengen versehen.
Als Anl.4 liegt eine Skizze Hitlers über den soeben beschriebenen Stand bei, die weiteren Aufschluss über die Raumbelegung gibt.
4. M- Stand: Munitionsunterstand
Groesse: 5,00 x 12,60 m
Besatzung: -
Betonmasse: 153 m3
Die Anlage besteht aus zwei 3,00 x 4,80 m großen Munitionsräumen, die direkt durch jeweils eine 1,20m breite Tür betreten werden können. Die hier anzutreffenden Anlagen weisen jedoch, abweichend von den Originalplänen, 0,80 m breite Türen auf.
Von dieser Anlage existiert auch eine einraeumige Variante mit schwaecheren Wandstaerken
(0,80 m) und nur einer Eingangstuer, die mit dem Praefix Ml (leicht) versehen wurde.
5. Pz- Stand: Pak- Unterstellraum
Groesse: 7,60 x 13,25 m
Besatzung: 15 Mann
Betonmasse: 361 m3
Diese Anlage diente zur Unterbringung einer 3,7 cm Pak, sowie derer Bedienungsmannschaft (6 Mann). Weiterhin bot sie im groessten Raum Platz fuer eine Infanteriegruppe (9 Mann). Als weitere Besonderheit besass sie eine Infanteriebeobachtungskleinstglocke. Die eigentliche "Pak- Garage" war mit einer zweifluegeligen Panzertuer verschlossen, die Infanteriegruppe konnte die Anlage durch einen separaten Mannschaftsausgang verlassen.Auch hier ist die "modernere" Anbringung der groesseren Eingangstueren im gebrochenen Eingangsflur zu beachten. Diese Anlage aehnelt dem Heeresregelbau 504, dem jedoch, als Hauptunterscheidungsmerkmal, die Kleinstglocke mit dem zugehoerigen Raum fehlt und daraus folgend keine Nahverteidigungsscharte in den Pak- Unterstellraum besitzt.
Von dieser Anlage existiert nur noch ein intaktes Exemplar, in dem sich sogar noch die Kleinstglocke befindet.
6. U- Stand: Doppelgruppenunterstand mit flankierender Anlage
Groesse: 6,80 x 13,10 m
Besatzung: 27 Mann
Betonmasse: 343 m3
Dieser Bunker entspricht dem LIMES-Regelbau Nr. 11 (breiter Unterstand für 2 Gruppen). Einziger Unterschied ist der etwas groessere rechte Raum des Luftwaffenstandes, sowie die beiden zusaetzlichen Nahverteidigungsscharten des Regelbau 11 in die Gasschleuse. Besonderheiten an diesem Bauwerk sind die, beim F-Stand bereits erwaehnten, kleinen, mit der Aussenwand abschliessenden Panzertueren, zwei getrennte Eingangsschleusen, sowie die flankierende Anlage, die durch eine gasdichte Innentuer von den uebrigen Raeumen abgetrennt ist. Weiterhin sind die Scharte der flank. Anlage wie auch der Haupteingang durch eine Ueberdachung geschuetzt.
Von dieser Anlage existiert auch eine haeufig gebaute Variante, von der es keinen vergleichbaren Heeresregelbau gibt, naemlich die Ausfuehrung dieses Bauwerkes ohne flankierende Anlage.
7. V- Stand: Gruppenunterstand am Vorderhang
Groesse: 7,60 x 9,75 m
Besatzung: 12 Mann
Betonmasse: 270 m3
Diese, sehr selten (29 Exemplare) gebaute, Anlage aehnelt dem LIMES- Regelbau Nr. 10b1 (Doppelgruppenunterstand am Vorderhang). Abweichend von diesem ist die grosse, gemeinsame Gasschleuse, die nach innen gelegten Eingangstüren, sowie der nicht unterteilte Aufenthaltsraum, der sich natuerlich aus der Bestimmung fuer nur eine Gruppe ergibt.
Bei diesem V-Stand handelt es sich wohl um den einzigen Stand, der von der Luftwaffe, ohne eine direkte Parallele zu einem Heeresregelbau zu haben, für besondere eigene Beduerfnisse konzipiert wurde.
Selbstverstaendlich sind bei allen diesen Anlagen (bis auf den M- Stand) die Eingangsbereiche durch die ueblichen Nahverteidigungsscharten gesichert. Auch weisen alle Anlagen, bis auf den F- tand, normalerweise, mindestens einen Notausgang auf. Es wurden jedoch auch schon F-Staende mit einem Notausgang gefunden.
Abschliessend sei noch darauf hingewiesen, dass sich in der LVZ-West
verschiedene Typen von verbunkerten Wasserbehaeltern, Pumpstationen und Quellen
befinden.
Auch finden sich noch Reste von Strassensperren (Dreh-Schranken), sowie Abschnitte von Hoeckerlinien Typ 1938 und 1939, die als Bestandteil der zweiten Heeresstellung zu betrachten sind.
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